Psychotraumatologie

Im Laufe der letzten Jahre habe ich mich neben der Behandlung von Störungsbildern wie Depression, Angststörungen und Suchterkrankungen zunehmend auf den Bereich der Psychotraumatologie spezialisiert, dabei konnte ich umfassende Erfahrungen in folgenden Bereichen sammeln: komplexe Traumafolgestörungen, Arbeit mit traumatisierten Flüchtlingen (Typ-II Trauma u.a. nach Folter und staatlicher Gewalt), Therapie mit Borderline-Patienten mit komorbider Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS), Krisenintervention bei akuten Traumafolgestörungen, komplizierte Trauer etc. .

Psychotraumatologische Weiterbildungen: Narrative Expositionstherapie (NET); Teilnahme an einem von der DEGPT anerkannten Curriculum „spezielle Psychotraumatologie“ u. a. mit den Inhalten Imagery Rescripting and Reprocessing Therapy (IRRT), Notfallpsychologie, Affektregulation, Akutinterventionen.

Narrative Expositionstherapie

Besonders erfolgreich habe ich in den letzten Jahren mit der Narrativen Expositionstherapie (NET) gearbeitet.

Bei der Narrativen Expositionstherapie (NET) handelt es sich um eine standardisierte, manualgestützte Kurzzeitintervention, die auf kognitiv verhaltenstherapeutischen Prinzipien und der Testimony-Methode basiert und die in erster Linie für die Behandlung von Opfern organisierter Gewalt (auch Folter) sowie von Kriegsflüchtlingen entwickelt wurde.

Diese Therapieform wurde von MitarbeiterInnen der Universität Konstanz (Prof. Dr. Thomas Elbert – Professor für Klinische Psychologie und Neuropsychologie, Dr. Maggie Schauer – Leiterin der Flüchtlingsambulanz, Prof. Dr. Frank Neuner) und der Nicht-Regierungs-Organisation (NGO) „vivo international" (Victims Voice, zu deutsch "Stimme der Opfer", www.vivo.org) auf der Basis wissenschaftlicher Forschung einerseits und Erfahrungswerten aus der Klinik sowie diversen Kriegs- und Krisengebieten andererseits, entwickelt. Sie zielt als eine für PTSD störungsspezifische Therapieform in erster Linie auf eine Reduktion der PTSD-Symptomatik durch Exposition ab, sowie auf den Aufbau eines konsistenten autobiographischen Gedächtnisses.

Die ihr zugrundeliegende Theorie geht von einer fehlerhaften Gedächtnisfunktion unter traumatischem Stress aus, die dazu führt, dass die Abspeicherung und Konsolidierung traumatischer Ereignisse nicht vollständig funktioniert. Anders ausgedrückt, die traumatischen Szenen können nicht „verortet“ (Raum) und „vergeschichtlicht“ (Zeit) und daher auch nicht in die individuelle Biographie integriert werden.

Man unterscheidet in der Gedächtnisforschung das „kalte“ und das „heiße“ Gedächtnis. Während das „kalte“ Gedächtnis explizit und bewusst abrufbare Kontextinformationen über Ort, Zeit und Ablauf des Ereignisses umfasst, beinhaltet das „heiße“ Gedächtnis die zu dem Ereignis gehörenden sensorisch-perzeptuellen Informationen (z. B. Gerüche, Geräusche, physiologische Reaktionen) und gibt dem Erlebnis die emotionale Konnotation.

Man geht davon aus, dass bei Erleben eines Traumas die Integration beider Anteile nicht mehr möglich ist – die Ereignisse werden besonders intensiv in Form von Bildern und sensorischen Details abgespeichert, während eine zeitliche und räumliche Verankerung fehlt. So kommt es im klinischen Bild zu den für Traumatisierte typischen fragmentarischen Berichten oder aber dem Verharren in der „Sprachlosigkeit“. Für die Betroffenen bedeutet dies zudem, dass sie die erlebten Ereignisse nicht erzählen können, dafür aber in Form von intrusiven Erinnerungen, Alpträumen und Flashbacks wiedererleben – es ist als wenn sie das Trauma nicht verlassen haben.

Bei diesen komplexen physiologischen und pathologischen Vorgängen sind unterschiedliche neurobiologische Korrelate, sowie verschiedene Stresshormone beteiligt. Für eine genaue Darstellung der zugrundeliegenden Theorie verweisen wir auf die aufgeführte Literatur.

Zielsetzung der narrativen Therapie

Ziel der narrativen Therapie ist also, die Rekonstruktion eines vollständigen autobiographischen Gedächtnisses zu fördern, das sowohl die nötigen Kontextinformationen umfasst, als auch die dazugehörigen „heißen“ Gedächtnisinhalte (z. B. Gefühle, Gedanken, Körperreaktionen) beinhaltet. Dieses Ziel soll durch eine Reaktivierung der sensorisch-perzeptuellen Erinnerungen der traumatischen Erfahrungen im geschützten therapeutischen Rahmen erreicht werden.

In der Praxis wird nach einer kurzen Psychoedukation zu Beginn der Therapie die so genannte „Lifeline“ gelegt – ein Seil, welches den Lebensverlauf des Betroffenen darstellt und die besonders positiven Ereignisse (symbolisiert durch Blumen) und die traumatischen Erfahrungen (symbolisiert durch Steine) abbildet. Dabei geht es zunächst nur um eine grobe, chronologische Einordnung der wichtigsten Lebensereignisse für einen ersten Überblick und Hilfestellung zur Planung der Therapiesitzungen. In den darauf folgenden Stunden wird die Narration erarbeitet, wobei die Sitzungen immer nach dem gleichen Schema verlaufen.

Lebensgeschichte und Gegenwart des Patienten

Angefangen bei der Geburt des Betroffenen, wird die gesamte Lebensgeschichte bis zur Gegenwart vom Patienten erzählt und vom Therapeuten schriftlich festgehalten. Dabei wird ein emotionaler, erlebnisnaher Bericht angestrebt. Bei einer Besprechung der traumatischen Ereignisse wird der Betroffene zu einer verlangsamten, streng chronologischen, detaillierten und in sich logischen Erzählweise angeregt, während der Therapeut lediglich eine begleitende und strukturierende Grundhaltung annimmt, nicht aber in den Bericht eingreift oder eigene Elemente hinzufügt. Im geschützten therapeutischen Rahmen wird es dem Patienten so möglich, das Erlebte zu erzählen und sich gleichzeitig durch eine Aktivierung der sensorisch-perzeptuellen Elemente intensiv in das Geschehen der Vergangenheit hineinzuversetzen.

Auf diese Weise können die unterschiedlichen Komponenten (Kognitionen, Emotionen, Körperreaktionen, Kontextinformationen) wieder verknüpft und in der eigenen Biographie eingeordnet werden. Darüber hinaus werden diese Erinnerungen zu dem Erleben im Hier & Jetzt kontrastiert, um u. a. eine Orientierung in der Gegenwart zu unterstützen.

Die Rolle der Therapeuten ist es dabei, den Betroffenen durch wertfreie Exploration der Gedanken, Gefühle, Körpersensationen und Bedeutungsinhalte zu einer genauen Rekonstruktion der Ereignisse zu verhelfen und die nötige Distanz zwischen dem „damals“ und „heute“ zu schaffen.

In jeder Sitzung werden die Teile der Narration der vorausgegangenen Sitzung vorgelesen, um zum einen den Patienten die Möglichkeit zu geben, Korrekturen und Ergänzungen vorzunehmen und zum anderen eine Habituation der Angstreaktion zu erreichen. So wird entlang der Lebenslinie Stück für Stück eine konsistente Narration erstellt, die dem Betroffenen am Ende der Therapie in schriftlicher Form ausgehändigt wird.

Die NET gehört inzwischen zu den vergleichsweise gut untersuchten Therapieverfahren zur Behandlung der PTSD. Für weitere Informationen verweisen wir auch hier an die unter aufgeführte Literatur.

Literatur

siehe Impressum